Samstag, 25. April 2015

Sitzung des Petitionsauschuß vom 16.4.15


Protokoll - Einführung

Oktober 2013 - Einreichung der Petition in Brüssel bei Dr. Peter Jahr

1.4.2014 - Erste Verhandlung unserer Petition im Petitionsausschuss in Brüssel

Prof. Claude Reiss hält eine Power-Point Präsentation

Im März erneute Einladung nach Brüssel.

Der Petitionsausschuss tagt am 16.April. Wir haben die Möglichkeit eines 5 minütigen Redebeitrags und auf Wunsch eine Power-Point Präsentation oder ähnliches vorzuführen.
Wir entscheiden uns, einen kurzen Filmausschnitt in unsere Rede einzubauen und schicken Rede sowie das Filmmaterial vorab zum Petitionsausschuss.
Am 15.4. reisen wir nach Brüssel, denn wir müssen uns am 16.4. bereits um 10 Uhr am Eingang des Altiero-Spinelli Gebäudes einfinden.

Nach unseren Erfahrungen im letzten Jahr - Staus auf der Autobahn und Eintreffen in der letzten Minute- reisen wir lieber einen Tag vorher an.

Wie immer ist es sehr aufregend, obwohl alles gut geplant ist.

Man hat das Gefühl als ob das Leben aller Tiere auf den eigenen Schultern liegt.
Gleichzeitig denkt man manchmal, das Drehbuch sei schon längst geschrieben und alles was man macht ist womöglich vergeblich.
Aber das sind nur kurze Momente.

Morgens, noch im Hotel, denke ich, es sei sinnvoll eine Inhaltsangabe zu dem Film zu machen, denn die Möglichkeit das es bei der Vorführung eine Panne gibt, ist doch sehr groß.
Diese Idee erweist sich später als sehr vorausschauend.

Wir fanden uns pünktlich um 10 Uhr am bezeichneten Treffpunkt ein und es erschien niemand um uns abzuholen. Ohne Besucherkärtchen gibt es auch keinen Einlass.
Von den Wachleuten werden wir angewiesen unsere Kontaktperson anzurufen, was wir auch machten. Also erst einmal warten.

Schließlich erscheint eine Dame, sammelt verschiedene Besucher ein, hat auch uns auf der Liste, aber es fehlt das Besucherkärtchen für mich.

Also immer noch kein Einlass..

Unsere Hilfe erscheint in der Person des Herrn Nils Leffler, aus dem Sekretariat von Dr. Jahr, der uns unbürokratisch über einen anderen Eingang (Besucher der MEP's) in das Gebäude lotst. Herr Leffler findet auch eine Mitarbeiterin des Petitionsausschusses die bereit ist den Film von ihrem Laptop aus zu starten. Leider sitzt sie am anderen Ende des Saales.

Der Zeitplan verzögert sich durch eine Abstimmung, die sich in die Länge zieht, um fast eine halbe Stunde.
Zu dieser Zeit ist der Saal noch gut gefüllt. Nach der Abstimmung verlässt der größte Teil der Anwesenden den Saal. Zu dieser Zeit spricht schon ein anderer Petent. Der Österreicher Herr Stefan von der Umweltorganisation "Lebensraum Mattigkeit".
Der erste Teil seiner Power-point Präsentation geht fast in der Unruhe der abziehenden Politiker unter.
Seine Rede dehnt sich auf fast sieben Minuten. Später bekommt er noch ein Schlusswort zugesprochen.

Warum ich das jetzt so pingelig aufschreibe?

Um verständlich zu machen wie man sich fühlt, wenn man als Petent eine lange Anreise in Kauf nimmt um sein Anliegen vor dem Europäischen Petitionsauschuss vorzutragen und man dann nicht einmal die Zeit zugestanden bekommt, um sein Anliegen zu formulieren.

Es geht nicht um Minuten, sondern um Sekunden.

Kurz bevor wir mit unserer Rede an der Reihe sind, kommt jemand zu uns und sagt wir sollen unseren Platz verlassen und uns nach vorne begeben und uns neben die Dame setzen, die den Laptop hat, auf dem unser Film ist.
Bevor wir noch dort ankommen und uns gesetzt haben ( man muss erst einmal seinen Kopfhörer auf die deutsche Sprache einstellen und das Mikrophon aktivieren) erteilt uns die Vorsitzende des Petitionsausschusses Frau Cecilie Wikström, das Wort.

Wertvolle Sekunden verstreichen...Sekunden unserer Redezeit.

Gisela fängt an zu reden und jetzt beginnen auch die Merkwürdigkeiten, die wir aber erst realisieren als wir wieder zu Hause sind und die Liveaufzeichnung anschauen.
Während Gisela spricht, hört man gleichzeitig den Ton unseres Films.
Man bemerkt die Unruhe die das auslöst. Eine Mitarbeiterin der Kommission, die neben Frau Wikström sitzt, kommt zu unserem Platz, alle sind hektisch und irritiert und hantieren an dem Laptop herum. Der Ton im Hintergrund verstummt.
Die Dame kommt noch ein zweites mal. Es wird geflüstert.
Jetzt kommt der Moment wo der Film gestartet werden soll.
Technische Panne. Ich schaue auf den Laptop. Was ist da los?
Kein Pfeil für den Start mehr da? Nur das Zeichen für Vorlauf, Stopp und Rücklauf.
Drück hier und da. Und wieder ist aus irgendwelchen Lautsprechern der Ton des Filmes zu hören.
Wieder verstreichen wertvolle Sekunden.
Frau Wikström ergreift das Wort, spricht von technischen Problemen und meint wir können ja jetzt auch schließen, da ja unsere Petition und alles was wir geschrieben haben, den Abgeordneten vorliegt und sie es nicht nur gelesen sondern auch studiert hätten.

Ich denke, jetzt ist es Zeit das Wort zu ergreifen und tue das dann auch. Ich fange an die Zusammenfassung des Films vorzutragen.

"In den Filmaufnahmen die wir Ihnen heute zeigen wollten geht es um ein Labor in der Schweiz und die Studie eines Schädlingsbekämpfungsmittel : Trimethyl Phosphat.
5 Beagle wurde für den Langzeittoxizitätstest ausgewählt.
Der Film zeigt eindrücklich die brutale Gewalt die diesen friedlichen Tieren täglich zugefügt wird.
Männer mit Handschuhen packen ein Tier am Kragen. Einer stopft dem Beagle die Tabletten mit dem giftigen Wirkstoff weit in den Rachen.

Die einzelnen Stationen der Vergiftung werden gezeigt: Muskelschwäche, Zuckungen, Krämpfe.
Ein Hund liegt sterbend in seinem Zwinger, kann nicht mehr aufstehen. Freundlich wie er ist versucht er kraftlos mit dem Schwanz zu wedeln.
Am 151.Tag stirbt der letzte Beagle.
Mit welcher Rechtfertigung hat man diesen Tieren derartige Qualen zugefügt?

Ist es nicht zutiefst unmoralisch, ein Lebewesen heimtückisch zu vergiften?

Eine Untersuchung der gegenwärtigen Testvorschriften REACH, der Biozid-Richtlinie, der EU-Verordnung 544/2011 zur Pestizidrichtlinie und die Novel Food-Richtlinie in Europa hat ergeben, dass die Anforderungen an die Datenerhebungen nicht immer den aktuellen Wissenschafts-und Technologiestand reflektieren. Denn mittlerweile sind mehr als 40 Alternativmethoden auf OECD-Ebene anerkannt."

Jetzt wird unsere Rede engültig von Frau Wikström gestoppt, nicht ohne uns ein Schlusswort zu versprechen. Auch unser Argument, das unser Vorgänger unbeschadet seine Zeit überziehen durfte, half nichts.

Wir wissen jetzt übrigens auch, dass man die Mikrophone extern abschalten kann...

Dabei fehlt noch ein wesentlicher Bestandteil unserer Rede, bzw. ein Bestandteil unserer Petition, auf den auch die Kommission niemals einging.

Trymethyl Phosphat ist heute noch weltweit auf dem Markt. Nicht nur als Schädlingsbekämpfungsmittel, u.a. auch als Industriechemikalie. In den entsprechenden Sicherheitsdatenblättern liest man:
Gesundheitsschädlich bei Verschlucken - verursacht schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden - Lebensgefahr bei Einatmen - kann vermutlich genetische Defekte verursachen- kann vermutlich Krebs erzeugen.

Leider können wir nun diese entscheidende Frage nicht stellen:

"Wie viele Bürger mögen schon Krebs durch die tausenden von Chemikalien in unserer Nahrung, unserem Trinkwasser, unserer Kleidung und durch das Einatmen von Stäuben entwickelt haben?

Wie viele Chemikalien brauchen wir noch in unserer Umwelt?"

Erfasste Daten aus der EU und angehörenden Staatengemeinschaften beweisen einen starken und ununterbrochenen Anstieg von schweren Erkrankungen- wie Diabetes, Alzheimer, Brust- und Prostata-Krebs, Autismus u.a., deren Prävalenz sich im letzten Jahrzehnt mehr als verdoppelt hat. Die Hauptverantwortung für diesen Zustand trägt unsere durch Chemie belastete Umwelt, welche weiterhin erheblich gesundheitsschädlich bleibt. Die unzuverlässige Toxizitätserwägung mittels Tiermodellen ist natürlich die Hauptangeklagte.
Nach unserer arg verkürzten Rede erteilt die Vorsitzende einer Vertreterin der Europäischen Kommission das Wort. Diese betont die Notwendigkeit von Tierversuchen, auch wenn die Unzuverlässigkeit der Übertragung auf den Menschen bekannt ist. Sie verglich es mit einem Puzzle. Und überhaupt, die Notwendigkeit von Tierversuchen zu leugnen würde bedeuten 100 Jahre Fortschritt in der Medizin abzustreiten.
In der Forschung kämen immer mehr Alternativen zum Einsatz, aber diese könnten nicht den gesamten Organismus ersetzen.

Die Präsidentin bedankt sich überschwänglich für diese hervorragende Einschätzung.

Als nächstes bekommt die dänische Abgeordnete Margrete Auken Gelegenheit eine ausschweifende Rede zu halten.
Sie erwähnt, das die Industrie gerne auf die Tierversuche verzichten würde. Das sei aber eine wirtschaftliche Frage, da Tierversuche kostspielig sind. Außerdem sei es eine Haftungsfrage.
Interessanterweise berichtet sie das in Dänemark immer mehr junge Männer unfruchtbar seien und sie verstehe nicht, warum die nicht auf die Barrikaden gehen, denn jetzt sei ja der Beweis erbracht (durch eine Tierstudie) das daran Endokrine-Disruptoren die Schuld trügen.(Eigene Anm.: Chemikalien die im menschlichen Körper wie Hormone wirken, u.a. zu finden in Weichmachern, Plastikflaschen ect.)
Und Ethik hin oder her, ihr sei es lieber man opfere für die Erkenntnis eine Ratte, als ein Kind.

Hätte Frau Auken im letzten Jahr auf die Power-Point Präsentation von Prof. Claude Reiss geachtet, hätte sie da schon von der Rolle der Endokrinen-Disruptoren und der steigenden Zahl von unfruchtbaren jungen Männern erfahren. Ganz ohne eine neue Tierstudie.

Und nur am Rande bemerkt, alle Studien zusammen führen nicht dazu, das diese Chemikalien vom Markt verschwinden, da es in der REACH Verordnung die sog. Ausnahmegenehmigung gibt, selbst für besonders besorgniserregende Produkte und Chemikalien.

Beispielsweise, wenn es um wirtschaftliche Interessen oder um Arbeitsplätze geht. Das nennt man sozio-ökonomische Gründe.

Nach Frau Auken meldet sich die griechische Abgeordnete Eleonora Evi zu Wort. Sie bedankt sich für unsere Petition, bekräftigt das es sich bei den Tierversuchen um barbarische Methoden handelt, die nicht zu rechtfertigen und zudem sinnlos sind. Neue Studien hätten ergeben, das von jahrelang am Tier erforschte Arzneimittel mehr als 99% in der klinischen Prüfung beim Menschen versagen.
Im Übrigen wurde der "Tierversuch" niemals durch wissenschaftliche Validation auf seine Anwendbarkeit bestätigt.
Frau Evi unterstützt deshalb unsere Petition und die Bürgerinitiative "Stopp Vivisektion".


Das Schlusswort erhält Dr. Peter Jahr, der unser Anliegen seit der Einreichung unserer Petition unterstützt hat. Hat er im letzten Jahr noch den Vorschlag gemacht, die Tierversuche, auch die an Ratten und Mäusen endlich abzuschaffen, rudert er jetzt mit einigen Verbesserungsvorschlägen, die auf Leidverminderung und zahlenmäßige Begrenzung abzielen, weit zurück.
Die REACH Verordnung würde aber in naher Zukunft neu bearbeitet.


Damit sind wir entlassen. Frau Wikström betont wie wichtig unser Anliegen ist und wie ernst es genommen wird. Alle haben es gelesen und studiert und nun sollen wir uns noch Brüssel ansehen...Von dem uns versprochenen Schlusswort keine Rede mehr.

Gisela gibt keine Ruhe, obwohl schon der nächste Petent das Wort erhält.

"Was ist nun mit unserer Petition? Bekommen wir einen Bescheid?"

Die Vorsitzende sagt, die Petition sei jetzt geschlossen. Einen Bescheid bekommen wir nicht. Aber es gibt am 11. Mai ein wichtiges Hearing zum Thema Tierversuche wo alle Mitglieder des Petitionsausschusses und "Stop Vivisection" anwesend sind und dort wird auch unser Anliegen wegen der Ähnlichkeit der Themen mit einfließen. Dieses Ereignis ist in einer Liveübertragung europaweit zu sehen.

Soll wohl heißen: "Schaut euch das schön gemütlich Zuhause am PC an."

Wir verlassen den Saal und haben draußen noch ein interessantes Gespräch mit 2 Mitarbeiterinnen des Parlamentes. Ihnen ist unsere Behandlung durch Frau Wikström peinlich. Sie verstehen auch unsere Empörung und versuchen uns damit aufzubauen, das durch unsere Petition eine Diskussion in Gang gekommen sei. Soweit sie sich erinnern können ist es noch niemals vorgekommen, das Petenten zweimal eingeladen wurden.

Auch die Europäische Bürgerinitiative "Stop Vivisection" hinter der 1.173.131 Menschen aus ganz Europa stehen, kann nicht länger ignoriert werden.

Hoffen wir für die Tiere, das sich der politische Dinosaurier endlich ein bisschen bewegt.

Unsere Forderung alle Tierversuche abzuschaffen, erscheint den Mächtigen heute vielleicht absurd. Aber diese, wie sie sagen "rigorose" Forderung", ist nicht verhandelbar.

Bevor wir das Parlamentsgebäude verlassen, haben wir noch die Gelegenheit uns mit dem unabhängigen Politiker Stefan Bernhard Eck zu treffen.
Bei einer Tasse Kaffee erzählt er uns von seiner Arbeit im Parlament und in zahlreichen Ausschüssen. In mühseliger Überzeugungsarbeit einzelner Abgeordneter versucht er den Tierschutz voranzubringen. Dabei kann er schon auf einige Erfolge zurückblicken. Er ist in der "Intergroup on the Welfare and Conservation of Animals" aktiv, die, als Eck ins Parlament einzog, gerade einmal 20 Mitglieder zählte, inzwischen und darauf ist MEP Eck besonders stolz, sind es 99.

Für einen vegan lebenden Tierrechtler, wie Stefan Bernhard Eck, ist es jeden Tag eine besondere Herausforderung in einer wirtschaftsorientierten Welt die Rechte der Tiere zu vertreten und den Tierschutz voran zu treiben.

Gespannt warten wir nun auf die Anhörung von "Stop Vivisection" am 11.Mai.